175 Jahre Werftgeschichte im Kieler Stadtmuseum

Ausstellung im Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum Warleberger Hof: Von Schweffel & Howaldt zu ThyssenKrupp Marine Systems (1838-2013)

Das Stadt- und Schifffahrtsmuseum widmet der größten und ältesten Werft Kiels zum 175-jährigen Bestehen eine Sonderausstellung: Unter dem Titel „Metamorphosen einer Werft – Von Schweffel & Howaldt zu ThyssenKrupp Marine Systems (1838 – 2013)“ führt die Ausstellung die Besucher durch drei große Themenfelder: die wechselhafte Firmengeschichte unter dem Eindruck politischer Veränderungen, die technische Entwicklung des Schiffbaus und der Schiffe sowie der sich wandelnde Arbeitsalltag auf der Werft.

Die szenografisch eindrucksvoll gestaltete Ausstellung entstand in Kooperation mit ThyssenKrupp Marine Systems. Eröffnet wurde sie am Sonntag, 6. Oktober, im Warleberger Hof, Dänische Straße 19, mit einem Empfang und für die Öffentlichkeit mit Sonderführungen durch die Ausstellung bei freiem Eintritt.

"Howaldtswerke AG - Gaarden", gemälde von Ewald Lifferth, um 1962 Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum

„Howaldtswerke AG – Gaarden“, gemälde von Ewald Lifferth, um 1962
Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum

Mit der Ausstellungsgestaltung wurde Dipl. Ing. Eva Stankowski aus Hamburg beauftragt. In Kooperation mit der Ausbildungswerkstatt von ThyssenKrupp Marine Systems entstanden eindrucksvolle Einbauten, die Werftatmosphäre ins Museum bringen. Schottwände und Schiffsrümpfe, Wandanstriche in der Anmutung von Stahl-Schiffswänden, riesige Fototapeten und verschiedene Medien bieten eine eindrucksvolle Folie, auf der die Gemälde, Schiffsmodelle, Fotografien und Dokumente aus dem Sammlungsbestand des Stadt- und Schifffahrtsmuseums einen faszinierenden Reiz entfalten.

Zu sehen ist die Ausstellung vom 6. Oktober 2013 bis 16. Februar 2014 im Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum Warleberger Hof, Dänische Straße 19. Bis zum 14. Oktober ist das Museum täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet, in der Wintersaison dann dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.

Zum Werftjubiläum ist der Band „Beständiger Wandel. In 175 Jahren von Schweffel & Howaldt zu ThyssenKrupp Marine Systems“ von Dr. Jürgen Rohweder (232 Seiten, Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg) erschienen. Der Band ist zum Preis von 29,90 Euro im Museumsshop des Museums zu erwerben.

Teil 1 der Ausstellung: Die Firma

Das erste Ausstellungskapitel beschreibt chronologisch die Geschichte des Unternehmens, seine unterschiedlichen Organisationsformen, die wechselnden Eigner sowie die Persönlichkeiten, die maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen hatten. Die Ausstellungsgestalterin entwickelte dazu ein Lesepult als „Infotheke“, das sich als blaues Band durch die ersten beiden Räume zieht, während an den Wänden Gemälde, Grafiken und Dokumente die Themen vertiefen und illustrieren.

Die Präsentation startet im Jahr 1838 – vor genau 175 Jahren -, als Johann Schweffel und August Ferdinand Howaldt in Kiel ihre Maschinenbauanstalt und Eisengießerei gründeten und neben haus- und landwirtschaftlichem Gerät unter anderem Dampfmaschinen und Eisenbahnwaggons herstellten. Erst 1865 ging daraus ein auf den Eisenschiffbau ausgerichteter Werftbetrieb hervor, der später unter dem Namen Howaldtswerke (seit 1889) und HDW (seit 1968) als weltweit gefragter Schiffbaubetrieb zum wichtigsten Arbeitgeber der Fördestadt wurde und den Alltag vieler Kieler prägt.

Die Ausstellung zeichnet die Entwicklung in einzelnen Stationen nach: Von den schwierigen Anfängen in dänischer und der Belebung in preußischer Zeit sowie von der umfassenden Modernisierung der inzwischen erfolgreichen Werft 1895. Erst mit dem Beginn des 1. Weltkrieges wurde vorrangig für die Kaiserliche Marine produziert, so dass das Unternehmen ebenso wie die anderen Kieler Werften mit Kriegsende und Versailler Vertrag in eine schwere Krise geriet.

Mit der Rüstungsproduktion der Nationalsozialisten seit 1937 machten die Howaldtswerke wieder Gewinne und entgingen nach 1945 als einzige der Kieler Werften der Demontage. Das florierende Reparatur- und Schiffsumbaugeschäft seit 1946 und der Schiffbau-Boom der 1950er Jahre nehmen in der Ausstellung einen großen Raum ein. Als prägende Figur ist in diesem Zusammenhang der damalige Vorstandsvorsitzende Adolf Westphal zu nennen. Nie zuvor war die Palette von Schiffstypen und Auftraggebern größer, nie zuvor und danach arbeiteten mit 13.000 Mitarbeitern im Jahre 1960 so viele Menschen auf der Kieler Werft. HDW erlangte Weltrang.

Die Konkurrenz aus Fernost leitete in den 1960er Jahren die Krise im europäischen Schiffbau ein. Daher schlossen sich 1968 die Kieler Howaldtswerke, die Howaldtswerke Hamburg und die Deutsche Werft zusammen zur „Howaldtswerke-Deutsche Werft AG“. Als sich Anfang der 1980er Jahre die Schiffbaukrise verschärfte, musste HDW die Standorte in Hamburg schließen und die drei Kieler Betriebe auf Gaarden konzentrieren.

Mit dem Modernisierungskonzept „Werft 2000“ versuchte HDW, den Handelsschiffbau aufrecht zu erhalten. Doch der Eigentümerwechsel zur Babcock Borsig AG und deren Konkurs führte 2005 zur Fusion mit den ThyssenKrupp Werften, und die Weltfinanzkrise beendete den zunächst erfolgreichen Handelsschiffbau, der von Abu Dhabi Mar weitergeführt wird.

Seit 2013 leitet HDW unter dem neuen Namen ThyssenKrupp Marine Systems den Marineschiffbau von ThyssenKrupp. 1957 mit der Instandsetzung von drei Unterseebooten aus dem Zweiten Weltkrieg gestartet, entwickelte sich der Bau von U­Booten für die Bundesmarine, für die Deutsche Marine und für den Export zur Erfolgsstory. Mit dem Bau von brennstoffzellenbetriebenen U-Booten, von Fregatten und Korvetten gehört ThyssenKrupp Marine Systems heute weltweit zu den führenden Marinewerften.

Teil 2 der Ausstellung: Die Schiffe

Die Schiffe stehen als Produkte der 175-jährigen Werftgeschichte im Zentrum der Ausstellung. 45 hochwertige Schiffsmodelle – neben einigen Leihgaben von der Kieler Werft überwiegend aus dem Sammlungsbestand des Stadt- und Schifffahrtsmuseums – werden eindrucksvoll inszeniert: Wie das Innere eines Schiffsrumpfes mutet die „Schatzkammer“ an, in der die hier gebauten Schiffe im Modell präsentiert werden. Weitere 100 Schiffe lassen sich in alphabetischer Reihenfolge in einer Foto-Datenbank recherchieren. Alle Modelle zusammengenommen dokumentieren den Wandel von der Universalwerft zum Spezialschiffbau anschaulich.

In 175 Jahren Werftgeschichte haben die Howaldtswerke, HDW und heute ThyssenKrupp Marine Systems fast jeden Schiffstyp gebaut. Bis heute sind es rund 1.700 Schiffe. Dem kleinen Frachter „Vorwärts“ mit der Baunummer 1 im Jahr 1865 folgten Schlepper, Schuten, Frachtschiffe bis hin zum modernen Containerschiff, Tanker, Fischdampfer, Walfänger, Fähren und Kreuzfahrtschiffe, Luxusyachten, Spezialschiffe aller Art, Schwimmdocks, Schwimmkräne und Hubinseln, Landungsboote, Korvetten, Fregatten, Kreuzer, Linienschiffe bis hin zu Deutschlands einzigem Flugzeugträger und schließlich U-Boote: vom „Brandtaucher“ bis hin zu den modernsten nicht-nuklearen Brennstoffzellen-Booten.

"Schiffbau bei den Howaldtswerken in Kiel", Gemälde von Harald Duwe, 1976-1978 Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum

„Schiffbau bei den Howaldtswerken in Kiel“, Gemälde von Harald Duwe, 1976-1978
Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum

Neben der einst riesigen Typenvielfalt beeindruckt die breite Palette der Kunden im In- und Ausland. Immer wieder entstanden angesichts einer großen Bereitschaft zur Innovation richtungsweisende Schiffe: Einzigartige Polarforschungsschiffe, mit die ersten Diesel- und Turbinenschiffe der Welt, Fischfabrikschiffe, die ersten Supertanker der Welt, Flüssiggas-Tanker, richtungsweisende Containerschiffe und nicht zuletzt einer von weltweit drei Atom-Frachtern sind als Modelle in der Ausstellung zu sehen.

Das Kapitel Schiffbau macht anschaulich, in welchem Ausmaß der Wandel der Technik und der Technologien das Gesicht der Werft immer wieder verändert hat. Von der einfachen mechanischen Werkstatt ist sie zu einem High-Tech-Betrieb geworden, der nach modernsten Methoden arbeitet. Der Konstrukteur nutzt nicht mehr das Reißbrett, sondern den Computer. Der Schiffbauer nietet Rümpfe nicht mehr zusammen, sondern schweißt sie. Platten und Einzelteile werden nicht mehr von Hand ausgeschnitten, sondern von computergesteuerten Maschinen bearbeitet und zusammengefügt.

Einzig der Stapellauf als ritualisiertes Ereignis im Werftalltag, dem sich die Ausstellung mit Filmsequenzen und weiteren Dokumenten widmet, hat sich als Konstante erhalten. Auch wenn die Schiffe in Kiel unspektakulär im Trockendock aufschwimmen oder, wie die Kieler U-Boote, mit dem Lift zu Wasser gelassen werden.

Teil 3 der Ausstellung: Die Mitarbeiter

Das letzte Kapitel der Ausstellung widmet sich den Mitarbeitern auf der Werft. In welchem Ausmaß sich die Arbeitsbedingungen im Verlauf der 175 Jahre verändert haben, macht der Anteil von gewerblichen zu angestellten Mitarbeitern deutlich: Standen 1910 noch 95 Prozent gewerbliche 5 Prozent angestellten Mitarbeitern gegenüber, sind es heute 40 Prozent Gewerbliche und 60 Prozent Angestellte.

Stellvertretend für die Werftbelegschaft wurden für die Ausstellung sechs Personen aus verschiedenen Epochen ausgewählt, szenografisch vergegenwärtigt durch sechs silhouettenhafte flache Figuren. Sie veranschaulichen jeweils ein zentrales Thema des Werftalltags aus dem Blickwinkel der Mitarbeiter, mit Hörstationen, Dokumenten und weiteren Informationen. Behandelt werden die Themen Arbeitssicherheit, Ausbildung und Weiterbildung, die Rolle der sozialen Einrichtungen und der Familie im Betrieb sowie die Integration ausländischer Mitarbeiter und die Rolle des Betriebsrates als Interessenvertretung der Arbeitnehmer.

Die Ausstellung im Warleberger Hof ist zugleich ein Ort, an dem die Mitarbeiter direkt zu Wort kommen. Im Rahmen einer Geschichtswerkstatt, einem gemeinsamen Projekt von Werft und Museum, wurden gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiter als Zeitzeugen im Juli und August vom Hamburger Historiker Dr. Friedrich Stamp zu verschiedenen Themen des Werftalltags interviewt. Diese zu Papier gebrachten Interviews sind die Grundlage für eine vierteilige Gesprächsreihe in der Ausstellung. Bei diesen Veranstaltungen im Museum sollen die wichtigsten Aspekte des Leitthemas der Geschichtswerkstatt, „Leben und Arbeiten auf der Werft im Wandel der Zeit“, vertieft und ergänzt werden.

Ziel ist es, auf der Grundlage der Interviews und der ergänzenden Beiträge auf den Treffen im Museum bis zum Frühjahr 2014 eine Broschüre zu erstellen. Diese von der Werft herausgegebenen Broschüre soll den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Werft eine Stimme geben, soll ihre persönlichen Erfahrungen festhalten und als Zeugnis der Werftgeschichte dauerhaften Wert verleihen.

Weiterführende Links

Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum
Warleberger Hof
Dänische Straße 19 / 24103 Kiel
T 0431 / 901 34 25 / F 0431 / 901 634 53
www.stadtmuseum-kiel.de

Öffnungszeiten: Bis 14. Oktober: täglich 10 bis 18 Uhr; ab 15. Oktober: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Eintritt: 3 Euro / ermäßigt: 1 Euro

Führungen:
Öffentliche Führungen: sonntags 15.30 Uhr
Gruppenführungen nach Vereinbarung, besondere Programme für Schulklassen ab Klasse 4, Telefon (0431) 901-3488

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