Kiels Oberbürgermeisterin tritt zurück

RathausplatzDie neue Woche begann in Kiel mit einem Paukenschlag: Die Oberbürgermeisterin Dr. Susanne Gaschke lud Medienvertreter zu einer Pressekonferenz ein und verlas eine Erklärung, die mit ihrem Rücktritt vom Amt endete.

Was war passiert?

Die Journalistin und ehemalige studentische Politikerin Dr. Susanne Gaschke war vor einem Jahr angetreten, den verwaisten Platz des ehemaligen Oberbürgermeisters Torsten Albig (ebenfalls SPD) zu übernehmen. Der war dank eines Karrieresprungs zum Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein gewählt worden und hinterließ im Kieler Rathaus einige Altlasten. Eine davon war eine langjährige Steuersache gegen einen Kieler Bürger (bereits seit Norbert Gansels Zeiten), der in den letzten Jahren neben seiner Steuerschuld in Millionenhöhe einige Gebühren und Zinsen angesammelt hatte, die dem Kieler Stadtsäckel fehlten. Bereits unter Albig (SPD) und seinem Stadtkämmerer Gert Meyer (CDU und Gaschkes direkter Konkurrent bei der Wahl zum Verwaltungschef) war die Aussage gefallen, zumindest eine Summe von „50% +x“ vom Steuerschuldner zugunsten der Landeshauptstadt einzutreiben. Jedoch, so läßt sich der heutige Ministerpräsident zitieren, „nicht ohne Beteiligung der Ratsversammlung“.

An diese Beteiligung eines demokratisch gewählten Gremiums der Stadt Kiel hatte die Oberbürgermeisterin wohl nicht gedacht, als sie scheinbar im „stillen Kämmerlein“ gemeinsam mit einigen Verwaltungsbeamten die „Eilentscheidung“ traf, dem Schuldner einen Millionenbetrag, der durch Versäumnisgebühren und Zinsen angefallen war, zu erlassen – gepaart mit einer moderaten Ratenzahlung. Wo in einem mehrere Jahre alten Steuerfall nun solche Eile geboten war, dass die Ratsversammlung nicht zuvor infomiert und ein Meinungsbild eingeholt wurde, wird wohl auf ewig Susanne Gaschkes Geheimnis bleiben.

Was man jedoch weiß, ist, dass die Ratsversammlung – allen voran die Opposition – nicht begeistert davon war, bei einer Entscheidung in Millionenhöhe nicht angehört zu werden. Diese Kritik an der Entscheidung nahm die Oberbürgermeisterin als Kritik an der eigenen Person wahr und reagierte dementsprechend emotional und mit bösem Willen auch etwas erpresserisch, in dem sie mit ihren Vorwürfen die anderen Politiker der Stadt Kiel in einem Maß diskreditierte, welches in keinem Verhältnis zur vorherigen Anklage stand.

Die von ihr selbst angestrebte Prüfung der Eilentscheidung durch das Innenministerium endete mit dem Ergebnis, dass ihre Entscheidung rechtswidrig sei. Doch anstatt nun – gern auch mit Hinweis auf fehlende politische Erfahrung, welche die Bürger Kiels ja bewußt in Kauf genommen hatten, als sie sie wählten – eine Entschuldigung und die Rücknahme der Entscheidung anzubieten, gingen die Angriffe weiter. Nun sollten ihr Amtsvorgänger Albig und der SPD-Parteichef Ralf Stegner in Gesprächen und Kurznachrichten (SMS) angeblich durchscheinen lassen, die Entscheidung des Innenministeriums vorher gewußt zu haben. Auf der anderen Seite soll ihr Ehemann, der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels, mit einem gewissen Nachdruck darauf bestanden haben, dass Innenminister Andreas Breitner das Ergebnis der Prüfung für einige Zeit zurückhalte. Letzterer antwortete mit einer Anzeige wegen Nötigung. Ein runder Tisch mit allen Beteiligten brachte zwar etwas Ruhe in die Kieler Politik, doch die einzelnen Vorwürfe werden nun von den zuständigen Gerichten geklärt.

Der plötzliche Rücktritt

Am Montag, dem 28. Oktober 2013 lud Frau Dr. Gaschke nun die Vertreter der Medien zu einem Pressetermin, um eine Erklärung zu verlesen, die nach zahlreichen Vorwürfen und emotionalen Anschuldigungen – mal mehr, mal weniger konkret – erläuterte, warum sie sich keinem Abwahlverfahren stelle, sondern direkt zurücktreten werde. Die Journalistin Gaschke, die in ihren Artikeln oft sehr bissig gegen Menschen ausgeteilt hat, zieht in dieser Erklärung alle Register ihrer moralischen Überlegenheit gegenüber ihren Politikerkollegen und der Verwaltung, gepaart mit (durchaus berechtigter) Medienschelte und (unberechtigter) Kritik am Patriachat im Allgemeinen. Die Dame, die bereits in Interviews vor der Wahl deutliche Kennzeichen aufwies, sich für den falschen Job zu bewerben (wir hätten ihr eher die Stelle der Stadtpräsidentin empfohlen, nicht den der Verwaltungschefin), sieht die Fehler nicht an ihrer Person oder ihren Handlungen, sondern glaubt, dass jede weibliche Person ähnlichen Problemen gegenüber gestanden hätte. Weibliche Verwaltungschefs, weibliche Ministerpräsidentinnen und nicht zuletzt eine weibliche Bundeskanzlerin strafen diese Aussagen Lügen.

Stim­men zum Rücktritt

Als Reak­tion auf den Rück­tritt erklä­ren der Vor­sit­zende des SPD‐​Kreisverbandes Kiel, Jür­gen Weber, und der Frak­ti­ons­vor­sit­zende der SPD‐​Ratsfraktion Kiel, Dr. Hans‐​Friedrich Traulsen: „Wir zol­len Frau Dr. Gaschke unse­ren Respekt für ihren Rück­tritt vom Amt der direkt gewähl­ten Ober­bür­ger­meis­te­rin. Wir hal­ten diese per­sön­lich sicher­lich sehr schwie­rige Ent­schei­dung für richtig. Wir erin­nern daran, dass Susanne Gaschke in ihrer kur­zen Amts­zeit zum Bei­spiel beim Woh­nungs­bau und beim Neu­bau eines Kraft­werks wich­tige poli­ti­sche Akzente gesetzt hat. Mit ihrem bür­ger­na­hen Auf­tre­ten hat sie in Kiel viel Zustim­mung gefunden. Des­we­gen bedau­ern wir sehr, dass der Rück­tritt vom Amt not­wen­dig gewor­den war.“

Der Lan­des­vor­sit­zende der CDU Schleswig‐​Holstein, Rei­mer Böge, MdEP erklärte: „Diese Ent­schei­dung war lange über­fäl­lig. Der Rück­tritt von Susanne Gaschke war not­wen­dig, um wei­te­ren Scha­den von der Stadt Kiel aber auch von unse­rem Schleswig‐​Holstein abzuwenden. Unab­hän­gig davon blei­ben in die­ser Ange­le­gen­heit ange­sichts des Ver­hal­tens von Minis­ter­prä­si­dent Albig, Innen­mi­nis­ter Breit­ner und dem Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Bar­tels noch immer einige Fra­gen offen, die der Klä­rung bedürfen.“

Zum Rücktritt der Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke sagt der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Peter Stoltenberg:

„Susanne Gaschke hat mit ihrem heutigen Rücktritt die richtige Entscheidung getroffen. Den Kieler BürgerInnen ist damit ein möglicherweise langwieriges Abwahlverfahren erspart geblieben. Wir hoffen, dass damit die Stadt Kiel aus den Negativschlagzeilen herauskommt. Wir wünschen Susanne Gaschke für Ihre Zukunft alles Gute.“

Wie geht es weiter?

Die Amts­ge­schäfte wer­den zunächst kom­mis­sa­risch vom Kie­ler Bür­ger­meis­ter Peter Todes­kino über­nom­men. Laut Gemein­de­ord­nung müs­sen inner­halb von sechs Mona­ten Neu­wah­len ange­setzt wer­den. Hätte Frau Dr. Gaschke vier Wochen gewar­tet, hätte man diese Wahl mit der Euro­pa­wahl 2014 zusam­men­le­gen kön­nen – so wer­den die Kie­ler 2014 zwei Mal an die Wahl­ur­nen tre­ten müssen.

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Ein Kommentar Kommentar hinzufügen

  1. Das hätte Frau Gaschke auch gleich tun sollen,statt sich krankschreiben zu lassen.Jeder kleine Steuezahler wird ja auch zur Kasse gebeten oder bestraft wenn er nicht zahlt.

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Kiel Journal